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Risiko toter Winkel: Lkw-Abbiegeassistenten werden Pflicht

Risiko toter Winkel: Lkw-Abbiegeassisten...

26.04.2021 - Update: 21.09.2021



Immer wieder ereignen sich Unfälle, bei denen sich Radfahrer schwer verletzen oder sogar tödlich verunglücken. Der tote Winkel gilt dabei als eines der größten Risiken. Autofahrer und insbesondere Lkw-Fahrer haben eine nur eingeschränkte Sicht, sodass Radfahrer und Fußgänger beim Abbiegen unsichtbar werden. Dadurch werden Auto, Bus und Lkw schnell zur tödlichen Gefahr.

Ein Abbiegeassistent kann solche Unfälle verhindern. Er überwacht den Nahbereich um das Fahrzeug und warnt den Fahrer mittels optischer oder akustischer Signale vor gefährlichen Situationen.

Mit einer automatischen Erkennung von Personen und Objekten entlasten Abbiegeassistenten Lastkraftwagen- und Berufskraftfahrer. Gleichzeitig können Radfahrer sicherer auf der Straße fahren. Nun wird der Abbiegeassistent für Lkws nach und nach Pflicht. Ab wann welche Pflichten greifen und welche Fördermöglichkeiten es gibt, erfährst du hier.

Unfall zwischen Fahrrad und Lkw

Das Thema der Kollisionen zwischen Fahrrad und Lkw wird immer relevanter. Wie der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC) 2018 berichtete, nehme die Zahl der Radfahrer, die durch abbiegende Lastkraftwagen ums Leben kommt, seit einigen Jahren zu. Das sei darauf zurückzuführen, dass in den Städten sowohl der Rad- als auch der Güterverkehr zunehme.

Dabei ist die Zahl der Radfahrer, die bei Abbiegeunfällen ums Leben kommen, seit 2013 um 35 Prozent gestiegen , wie Unfallstatistiken der Polizei gezeigt haben. Während es im Jahr 2013 noch 28 Radfahrer waren, stieg die Zahl 2017 auf 38 an. Außerdem weist der ADFC darauf hin, dass 60 Prozent dieser schweren Unfälle durch Lkw-Abbiegeassistenten verhindert werden könnten. Allgemein wurden 2013 354 Radfahrer im Straßenverkehr getötet, 2020 waren es 426.

Die Unfallanalyse Berlin bestätigt, dass auch moderne Lkw noch erhebliche Schwachpunkte aufweisen und in Städten insbesondere für Radfahrer zum Problem werden: Zu 90 Prozent waren Radfahrer an den untersuchten Unfällen beteiligt. Die Folgen der Unfälle mit rechtsabbiegenden Lkw sind gravierend: 56 Prozent der Unfälle endeten mit schweren oder tödlichen Verletzungen.

Jetzt wird der Lkw-Abbiegeassistent zur Pflicht. Seit dem 1. Juli 2020 gibt es hierzulande bereits Neuerungen, und damit auch neue Hoffnung für Fahrradfahrer und Fußgänger.

Abbiegeassistent gegen den toten Winkel

Wie viele Unfälle ereignen sich zwischen Lastkraftwagen und Fahrrad? Welche dramatischen Folgen haben sie? Und wie gefährlich sind abbiegende Lkws und der tote Winkel für Radfahrer wirklich? Das zeigen die Berichte des Statistischen Bundesamts über die Unfälle von Güterkraftfahrzeugen im Straßenverkehr:

Unfälle unter Beteiligung von Güterkraftfahrzeugen

Jährlich ereignen sich des Berichts des Statistischen Bundesamt zufolge rund 40.000 Unfälle unter Beteiligung von Güterkraftfahrzeugen. Dazu zählen:

  • Kleintransporter – also Lkw mit einem zulässigen Gesamtgewicht bis 3,5 Tonnen
  • Lkw mit zulässigem Gesamtgewicht über 3,5 Tonnen
  • und Sattelzugmaschinen

Unfälle von Güterkraftfahrzeugen im Straßenverkehr 2019:

  • Im Jahr 2019 kam es bei 27.103 der 36.939 Zusammenstöße zu Personenschadend, bei 9.836 Unfällen zu schwerwiegendem Sachschaden.
  • 2019 sind 37.287 Personen bei Unfällen mit Güterkraftfahrzeugen verunglückt. Davon kamen 684 Personen ums Leben, 6.955 verletzten sich schwer und 29.647 leicht.
  • 3.540 der Unfälle mit Personenschaden unter Beteiligung von Güterkraftfahrzeugen waren auf ein Fehlverhalten beim Abbiegen, Wenden, Rückwärtsfahren oder Ein- und Anfahren zurückzuführen.

Unfall zwischen Lkw und Fahrrad:

  • 2019 ereigneten sich 2.958 Unfälle zwischen Lkw und Fahrrad, einschließlich Pedelecs.
  • 74 Fahrradfahrer kamen dabei ums Leben.

Abbiegeunfälle zwischen Lkw und Fahrrad

  • 2013 wurden 28 Radfahrer durch abbiegende Lkw getötet. 2017 stieg die Zahl auf 38 an, im Jahr 2018 waren es 34.
  • 2017 war das Kraftfahrzeug in allen Fällen schuld.

Abbiegeassistent für Lkw

Obwohl Lkw-Fahrer weit über dem Verkehr thronen, haben sie keinen vollständigen Rundumblick. Insbesondere in Rechtskurven sind bestimmte Bereiche an der Seite des Lkw wie ein schwarzes Loch für den Fahrer, in dem andere Verkehrsteilnehmer verschwinden. Im Vergleich zum Auto oder Bus wird die Sicht in einem Lkw zusätzlich dadurch erschwert, dass kein Heckfenster vorhanden ist.

Wenn du auf dem Fahrrad nicht genügend Abstand zu einem Lkw hältst und nichtsahnend dem Radweg neben dem Lkw folgst, befindest du dich in einer tödlichen Zone. Das gilt vor allem dann, wenn der Lkw nach rechts abbiegen möchte.

Der tote Winkel befindet sich rechts neben dem Fahrerhaus und erstreckt sich diagonal nach hinten. In dieser Zone kann der Lkw-Fahrer andere Verkehrsteilnehmer nicht sehen und die Unfallgefahr steigt, insbesondere für Radfahrer, Fußgänger und seit einiger Zeit auch für E-Bike- und E-Scooter-Fahrer.

Das Problem ist seit Langem bekannt und verschiedene Organisationen, wie der Europäische Rat für Straßenverkehrssicherheit (ETSC) oder der ADAC , führen regelmäßig Sensibilisierungskampagnen durch, um die Zahl der Unfälle zu verringern. Nun bringen Förderprogramme und verpflichtende Abbiegeassistenten neue Hoffnung für Fahrradfahrer & Co.

Förderprogramm „Abbiegeassistenzsysteme"

Am 4. Mai 2020 ist das Förderprogramm "Abbiegeassistenzsysteme" des Bundesamts für Güterverkehr (BAG) gestartet. Das Förderprogramm unterstützt die Aus- und Nachrüstung von Kraftfahrzeugen mit entsprechenden Systemen.

Laut Angaben des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) betrifft die Förderung Nutzfahrzeuge mit einer Masse von mehr als 3,5 Tonnen und Kraftomnibusse mit mehr als neun Sitzplätzen einschließlich Fahrersitzplatz, die Unternehmer hierzulande angeschafft haben und betreiben. Dabei wird die Förderung von zwei Säulen getragen.

De-minimis für den mautpflichtigen Güterkraftverkehr

Unternehmen des mautpflichtigen Güterkraftverkehrs , die über das Förderprogramm „De-minimis" antragsberechtigt sind, können eine Förderung für Abbiegeassistenzsysteme (AAS) über die Richtlinie „De-minimis" in der Maßnahmenkategorie 1.3 beziehen. Der Antrag kann seit dem 7. Januar 2020 beim Bundesamt für Güterverkehr gestellt werden.

Seitdem hat sich bereits einiges getan: Im Jahr 2020 wurden 3.400 Abbiegeassistenzsysteme gefördert. Dabei standen 10 Millionen Euro zur Verfügung.

Förderprogramm Abbiegeassistenzsysteme für andere Antragsteller

Jeder andere Antragsteller kann das AAS für sein Fahrzeug über das „Förderprogramm Abbiegeassistenzsysteme" im Rahmen der „Aktion Abbiegeassistent“ fördern lassen.

Mit der „ Aktion Abbiegeassistent " setzt das seit BMVI 2018 Anreize für eine freiwillige Selbstverpflichtung zur Nutzung von Abbiegeassistenten. Nach einer Beratung mit Experten der Polizei, von Verbänden und verschiedenen Herstellern und Unternehmen, haben sie die Aktion gemeinsam ins Leben gerufen. Nach zwei Jahren waren bereits über 200 Sicherheitspartner an Bord – und die Zahl der unterstützenden Abbiegeassistenten auf den Straßen nimmt zu.

Förderprogramm 2021

  • 2021 stehen für die Maßnahmen des „De-minimis“-Programms insgesamt 276,9 Millionen Euro zur Verfügung.
  • 2021 erhöhte das BMVI die Fördersumme um 50 Prozent
  • 15 Millionen Euro sind für die Abbiegeassistenzsysteme eingeplant.
  • De-minimis: Unternehmen des mautpflichtigen Güterkraftverkehrs können seit dem 07.01.2021 einen Antrag stellen.
  • Förderprogramm Abbiegeassistenzsysteme: Andere Antragssteller können seit dem 21.01.2021 wieder Anträge beim Bundesamt für Güterverkehr einreichen.

Wie funktioniert ein Abbiegeassistent?

Abbiegeassistenten erkennen kritische Verkehrssituationen automatisch und warnen den Fahrer rechtzeitig. Dabei gibt es verschiedene Technologien wie optische Sensoren, Ultraschall- oder Radarsysteme.

Die Abbiegeassistenten überwachen den Nahbereich rechts neben dem Fahrzeug. Sogenannte Kamera-Monitor-Systeme (KMS) erweitern lediglich den Sichtbereich des Fahrers, andere wiederum warnen den Fahrer außerdem akustisch und/oder optisch, wenn sie eine Person oder ein Objekt im überwachten Bereich erkennen.

Ab wann gilt die Pflicht für Lkw-Abbiegeassistenten?

Am 1. Juli 2020 sind in Deutschland bereits erste Regelungen in Kraft getreten, die das Risiko für Verkehrsteilnehmer wie Radfahrer und Fußgänger lindern dürfte. Abbiegeassistenten unterstützen Fahrer von neuen Lang-Lkw und helfen ihnen dabei, insbesondere Radfahrer, die neben dem Fahrerhaus im toten Winkel fahren, rechtzeitig wahrzunehmen.

Neuerungen für neue Lang-Lkw ab 1. Juli 2020

Seit dem 1. Juli 2020 sind Abbiegeassistenten für neue Lang-Lkw ab 18,75 Meter Länge, also alle Lkw und Sattelkraftfahrzeuge ab Typ 2, auf deutschen Straßen verpflichtend. Mit 17,80 Metern ist der Lang-Lkw Typ 1 von den Änderungen ausgeschlossen.

Abbiegeassistent-Pflicht für neue Fahrzeugtypen ab. 1. Juli 2022

Für Bestandsfahrzeuge und neue Fahrzeugtypen wird das System voraussichtlich ab dem 1. Juli 2022 Pflicht.

Abbiegeassistent-Pflicht für neue Fahrzeugtypen ab. 1. Juli 2024

Neue Fahrzeugtypen müssen voraussichtlich ab dem 1. Juli 2024 mit Abbiegeassistenten ausgerüstet sein.

Abbiegeassistent: Der Status quo im Überblick

Förderprogramm Abbiegeassistenzsysteme : Das Förderprogramm startete am 4. Mai 2020. Die Förderung des BAG (Bundesamt für Güterverkehr) zielt auf die Unterstützung von Nutzfahrzeugen mit einer Masse von mehr als 3,5 Tonnen und Kraftomnibusse mit mehr als neun Sitzplätzen ab.

Seitdem steigt die Zahl der Abbiegeassistenten: Im Jahr 2020 hat das Förderprogramm 3.400 Abbiegeassistenzsysteme gefördert, wobei 10 Millionen Euro zur Verfügung standen. 2021 sind es sogar 15 Millionen Euro, wobei Unternehmen und Lkw-Fahrer seit Januar wieder Anträge stellen können.

  • Seit dem 1. Juli 2020 sind Abbiegeassistenten für neue Lang-Lkw Pflicht, voraussichtlich ab dem 1. Juli 2022 auch für Bestandsfahrzeuge.
  • Für neue Fahrzeugtypen bei Bus und Lkw tritt die Pflicht voraussichtlich am 6. Juli 2022 in Kraft.
  • Für neue Fahrzeuge ist die verpflichtende Einführung ab 7. Juli 2024 auf EU-Ebene vorgesehen.

Nach ihrem Studium der Literaturwissenschaften widmet sich Luisa nun der Sonderpädagogik, wobei ihr Schwerpunkt auf der emotionalen und sozialen Entwicklung liegt. Ihrer Liebe zum Schreiben und zum Sport kann sie als Redakteurin für Bikes.de weiterhin nachgehen. Wenn sie nicht gerade am Studieren und Schreiben ist, trifft man sie zum Wandern, Joggen und Radfahren irgendwo im Wald an. Für Luisa ist das Fahrrad ein umweltfreundliches Fortbewegungsmittel, ein Sportgerät und ein tolles Fahrzeug, um Natur zu erleben und die Welt zu entdecken. Am liebsten ist sie mit ihrem Trekkingrad oder ihrem Mountainbike unterwegs.

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