Gute Nachrichten für Radfahrer: Das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur hat die Mittel für den Ausbau der Infrastruktur für den Radverkehr deutlich erhöht . Bis 2023 stehen rund 1,46 Milliarden Euro zur Verfügung.
Nun liegt der Ball bei den Ländern, die unterschiedlich engagiert herangehen. Wir fassen zusammen, welche Baumaßnahmen sie fördern werden und welche Maßstäbe das Programm in Qualität und Quantität setzt.
Status quo in Deutschland
Zu schmale Radwege
Fahrradfahrer müssen auf deutschen Straßen besonders gut achtgeben. Die Verkehrspolitik war über Jahre hinweg planerisch auf das Auto ausgerichtet. Die vorgeschriebene Mindestbreite für Fahrradwege von 1,50 Metern ist häufig zu schmal, um darauf sicher zu überholen. Wer mit Anhänger unterwegs ist, muss auch mal ganz auf die Straße ausweichen. Kinder, die noch nicht sattelfest sind, brauchen ebenso mehr Platz.
Baulich abgetrennte Radwege
Ein Unfallschwerpunkt sind Kreuzungen. Der Grund dafür ist, dass Rechtsabbieger, besonders Lkw-Fahrer, Radfahrer oft übersehen. Ein baulich abgetrennter Fahrradweg, der um einige Meter eingerückt geführt ist, könnte Radfahrer sicherer über die Kreuzung bringen.
Investitionen im Vergleich
Ein Blick über die Staatsgrenzen verrät, wie viel Geld in anderen Ländern für die Radinfrastruktur ausgegeben wird. Einer Statistik über die jährlichen Investitionen in den Radverkehr ist zu entnehmen, dass Amsterdam und Kopenhagen 2018 proportional um ein Vielfaches mehr investieren als deutsche Städte.
Zwischen 2,30 und 5 Euro pro Person und Jahr lagen die Ausgaben hierzulande, während in Amsterdam und Kopenhagen elf beziehungsweise 35,60 Euro pro Einwohner ausgegeben wurden. Bemerkenswert: Das Unfallrisiko ist in diesen Städten dementsprechend niedrig, wie du in dieser Statistik sehen kannst.
Es kommt etwas ins Rollen
2021 begann für Fahrradfahrer und Klimaschützer mit einer positiven Meldung. Das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) stellte sein Sonderprogramm namens „Stadt und Land" vor. Erstmals können Länder und Gemeinden Bundesmittel vom BMVI für fahrradbezogene Infrastrukturprojekte vor Ort abrufen. Insgesamt 1,46 Milliarden Euro wurden dafür aus dem Klimapaket der Regierung locker gemacht.
„Stadt und Land" ist ein wichtiger Bestandteil des Klimaschutzprogramms 2030. Aus der Verwaltungsvereinbarung geht hervor: „Ziel ist es (…) sowohl in urbanen als auch in ländlichen Räumen das Fahrradfahren sicherer und attraktiver für die Radfahrenden zu gestalten und einen Umstieg vom Kfz auf das Fahrrad zu erreichen."
Länder und Gemeinden bekommen für ihre Maßnahmen eine Unterstützung von bis zu 75 Prozent der förderbaren Kosten, finanzschwache Gemeinden sogar eine Förderung von bis zu 90 Prozent. Aber welche Maßnahmen nutzen Fahrradfahrern überhaupt?
Die Fahrradinfrastruktur der Zukunft
Der Fahrrad-Monitor 2019 zeigt, dass sich 44 Prozent der Radfahrer im Straßenverkehr eher unsicher fühlen. Bauliche Maßnahmen können diesem Gefühl entgegenwirken und einen Anreiz schaffen, auf das Rad umzusteigen.
Mehr Platz
Radverkehrsnetze sollten durchgängig qualitativ hochwertig und intuitiv nutzbar sein. Neue Radwege müssen Platz schaffen, für alle, die Rad fahren, und für alle, die es in Zukunft tun wollen und werden. Wie schnell neuer Platz aufkommen kann, wurde während der Corona-Pandemie sichtbar.
Sonderfall Pop-up-Radwege
Im Sommer 2020 stieg der Trend zum Radfahren merklich. Städte wie Berlin, Leipzig, Nürnberg und München richteten temporäre Pop-up-Radwege ein, um dem erhöhten Aufkommen von Radfahrern gerecht zu werden und den Mindestabstand zu ermöglichen.
Die Auswertung der Fahrradzählstellen in Berlin hat ergeben, dass im Juni 2020 26,5 Prozent mehr Fahrräder unterwegs waren als im Jahr davor. Ob die Pop-up-Radwege trotz der hohen Nutzungsraten zu permanenten Radwegen werden, ist aber nicht nur eine politische, sondern auch eine juristische Frage – und schnell ergibt sich ein Rechtsstreit.
2020 war nämlich Covid-19 die Berechtigung für die Radwege. Die sind nämlich dafür konzipiert, dass sich der Mindestabstand während der Pandemie einhalten lässt. Und was passiert, wenn das Infektionsgeschehen nachlässt? Wie die offizielle Seite der Stadt München oder der Tagesspiegel Berlin berichten, kamen 2021 einige Pop-up-Radwege als feste Fahrradstreifen zurück .
Mehr Schutz
Physische Barrieren zwischen Auto- und Radverkehr helfen, Fahrradfahrern mehr Sicherheit zu vermitteln. In der Praxis können das Bordsteine, Blumenkübel oder Poller sein. Der Allgemeine Deutsche Fahrrad Club (ADFC) empfiehlt, bei Straßen mit Tempo 50 baulich getrennte Radwege zu realisieren. Bei Straßen mit Geschwindigkeiten über 30 Kilometer pro Stunde sollte zumindest ein Radfahrstreifen verwirklicht werden.
Diese Punkte umfasst das Sonderprogramm
Bis Ende 2023 nehmen die Länder folgende Punkte in Angriff:
- Neu-, Um- und Ausbau von 272 Kilometern straßenbelgeitender Radwege mit baulicher Trennung vom Straßenverkehr
- 672 Kilometer Fahrradstreifen und Schutzstreifen
- 416 Kilometer Fahrradstraßen
- 55 Bauwerke wie Radwegbrücken und Unterführungen
- 200 Fahrradbügel für das Abstellen von Fahrrädern
- 800 Fahrradboxen und 31.200 Stellplätze in Fahrradparkhäusern
Erste Beantragungen
Viele Länder haben das Sonderprogramm bereits vor dem Inkrafttreten ihren Gemeinden kommuniziert.
- Hessen richtete eine eigene Servicestelle für Kommunen zur Abwicklung des Förderprogramms ein.
- Nordrhein-Westfalen stockte die Förderung sogar mit Landesmitteln auf, um finanzschwache Kommunen zu unterstützen.
- Der ADFC weist als Negativbeispiel in einem Artikel aber auch auf das Vorgehen des Landes Sachsen hin, das die eigenen kommunalen Förderungen stark kürzt und die Ausgaben über das Programm kompensieren möchte.
Fazit
Fahrradfahrer, Anhänger der Mobilitätswende und Klimaschützer erkennen das Potenzial, das im neuen Programm des BMVI liegt. Jetzt liegt es an den Bundesländern, aktiv zu werden und das Geld gezielt und zügig in eine bessere Infrastruktur zu investieren. Für mehr Platz und Sicherheit auf Fahrradtouren in der Stadt und auf dem Land.