Studien des Statistischen Bundesamtes zeigen: Immer mehr Menschen sind mit dem Fahrrad unterwegs. Um den zunehmenden Radverkehr sicherer zu gestalten, hat die Bundesregierung die Straßenverkehrsordnung (StVO) am 28. April 2020 erneuert.
Wegen eines Formfehlers hat man die Neuerungen kurz darauf zurückgerufen. Nach der Debatte hat sich die Verkehrsministerkonferenz knapp ein Jahr später, am 16. April 2021, geeinigt und die StVO-Novelle korrigiert. Welche Regelungen künftig für Radfahrer gelten und wie hoch die neuen Bußgelder sind, erfährst du hier.
Nach StVO-Diskussion: Diese Neuerungen gelten für den Radverkehr
Die neue StVO soll allen Verkehrsteilnehmern helfen, sicherer und rücksichtsvoller durch den Straßenverkehr zu kommen. Einige Maßnahmen gewähren vor allem Radfahrern mehr Sicherheit und Rechte auf der Straße. Außerdem drohen erhöhte Bußgelder.
1. Der angemessene Überholabstand
Lange schrieb die StVO zum Überholen von Fahrrädern lediglich vor, dass genügend Seitenabstand bestehen muss. Jetzt ist der Mindestüberholabstand genau geregelt: Innerorts müssen Autofahrer während beim Überholen eineinhalb Meter, außerorts sogar zwei Meter Abstand halten.
2. Parkverbot an Kreuzungen
An Kreuzungen mit baulichen Radwegen müssen parkende Autos nun acht Meter und nicht mehr nur fünf Meter Abstand halten. Bei Kreuzungen ohne Fahrradwegen bleibt die 5-Meter-Regelung bestehen. Das ist besonders gefährlich für Kinder, die auf dem Gehweg fahren müssen. Sie laufen Gefahr, an Kreuzungen von fahrenden Autos übersehen zu werden.
Tipp: Experten raten, eine hochragende Wimpel an Kinderfahrrädern zu befestigen. Das erhöht die Sichtbarkeit der kleinsten Verkehrsteilnehmer.
Erfreulich sind die neuen Bußgelder: Ab September 2021 soll das Falschparken an Kreuzungen mit einem Bußgeld von bis zu 55 Euro geahndet werden. Das könnte für den ein oder anderen ein Ansporn sein, die Parkregelungen einzuhalten.
3. Das Abbiegen von Lkws
Eine der größten Gefahren im Straßenverkehr sind abbiegende Lastkraftwagen, die Fußgänger und Fahrradfahrer beim Abbiegevorgang oft übersehen. Um die Zahl der Unfälle mit tödlichen Folgen zu verringern, dürfen Lkws jetzt nur noch in Schrittgeschwindigkeit (7 bis 11 Stundenkilometer) abbiegen. Wer schneller unterwegs ist, muss ab September 2021 mit einem Bußgeld von 70 Euro und einem Punkt in Flensburg rechnen.
4. Rechtsabbiegende Fahrräder
Mit der Novelle dürfen sich Radfahrer, die von einem baulichen Radweg oder einer Fahrradspur kommen, an den Grünpfeil für den Kfz-Verkehr halten. Das hilft, gefährliche Ballungen an einer Kreuzung zu vermeiden.
Außerdem bringen die Neuerungen einen extra Grünpfeil für den Radverkehr mit. Dieses Verkehrszeichen erlaubt es Radfahrern, trotz einer roten Ampel nach rechts abzubiegen.
5. Nebeneinander radeln
Die Novelle der StVO erlaubt es Radfahrern ausdrücklich, zu zweit nebeneinander zu fahren, solange sie andere Verkehrsteilnehmer nicht behindern. Mehr als zwei Radfahrer dürfen erst ab einem Verbund von 16 Radfahrern nebeneinander fahren.
6. Beförderung von Personen auf dem Rad
Mit der StVO-Novelle ist es endlich erlaubt, einen Erwachsenen auf dafür vorgesehenen Fahrrädern, etwa auf Lastenrädern, mitzunehmen. Davon profitieren neben Kindern, die immer mit an Bord sein dürfen, auch Jugendliche und ältere Menschen.
7. Neue Verkehrszeichen
Mit den Neuerungen zur Straßenverkehrsordnung kamen eine Menge neue Verkehrszeichen auf die Straßen. Jetzt gibt es ein Verkehrszeichen, dass den sogenannten Fahrradschnellweg ausweist: Hier dürfen Fahrräder schnell und sicher am Verkehr teilnehmen, ohne andere Verkehrsteilnehmer zu behindern.
Die „Radautobahn“ ist vor allem für längere Strecken gedacht. Auch die Zeichen für ausgewiesene Fahrradzonen, das Überholverbot von Fahrrädern und das Zusatzzeichen von Parkflächen für Lastenräder mit Anhängern sind neu. Ebenfalls gibt es seit 2020 eine gezackte Markierung zur Kennzeichnung der Vorfahrt von Radwegen.
8. Ausgewiesene Fahrradzonen
Mit der Novelle der StVO wurden verkehrsberuhigte Fahrradstraßen eingeführt, die an die Tempo-30-Zonen erinnern. Hier sind nur Fahrräder, Pedelecs und E-Scooter erlaubt. Sind entsprechende Zusatzzeichen vorhanden, dürfen auch Pkws und Krafträder die Straße nutzen.
Die Höchstgeschwindigkeit liegt hier bei 30 Stundenkilometern. Außerdem dürfen andere Verkehrsteilnehmer den Radverkehr nicht behindern oder gefährden – und auch nicht drängeln, wenn Radfahrer nebeneinander fahren.
9. Bußgelderhöhung für Fahrradfahrer auf Gehwegen
Um Fußgänger vor Unfällen mit unvorsichtigen Radfahrern zu schützen, erhöhen sich die Bußgelder für das unerlaubte Fahren auf dem Gehweg im September 2021 von 10 bis 25 auf 55 bis 100 Euro.
Gleichzeitig weist der Allgemeine Deutsche Fahrrad Club (ADFC) darauf hin, dass die neue Regelung eine geeignete Fahrradinfrastruktur erfordert. Fehlt ein Radweg, kann es in brenzligen Situationen erforderlich sein, auf den Gehweg auszuweichen und die Gefährdung von Fußgängern in Kauf nehmen zu müssen. Also muss eine angemessene Fahrradinfrastruktur her.
10. Hohe Strafen für gefährdendes Abbiegen und Dooring
Die Neuerungen in der Straßenverkehrsordnung verdoppeln die Strafen für Autofahrer beim rücksichtslosen Abbiegen und dem plötzlichen Aufreißen von Autotüren: Das Bußgeld für gefährdendes Abbiegen steigt von 70 Euro auf 140 Euro und hat einen Monat Fahrverbot zur Folge. Das sogenannte Dooring wird künftig mit einem Bußgeld von 40 Euro statt 20 Euro bestraft. Für das Falschparken auf Radwegen werden in Zukunft bis zu 110 Euro fällig. In besonders gefährlichen Situationen gibt es einen Punkt in Flensburg obendrauf.
Kritik an den Neuerungen der StVO
Die StVO-Novelle, der neue Bußgeldkatalog und die verschärften Fahrverbote haben insbesondere bei Autofahrern für Aufruhr gesorgt. Da sich Bund und Länder laut ADFC einig seien, was die Fahrsicherheit angeht, rief der Verkehrsclub Bundesverkehrsminister Scheuer und die Landesverkehrsminister in einem Dossier zur StVO-Novelle auf, die Debatte um Fahrverbote für Raser gesondert zu behandeln – und die Verbesserungen für den Radverkehr unverzüglich wieder in Kraft zu setzen.
Der ADFC begrüße empfindliche Sanktionierungen von gefährlichem Verhalten im Straßenverkehr. Die Vergabe von Punkten habe, so ADFC, nur eine begrenzte präventive Wirkung. Ein Jahr später ging es mit der korrigierten StVO-Novelle zurück zu den alten Fahrverboten. Die Bußgelder hat man jedoch erhöht.
Andere Länder, andere Fahrradinfrastrukturen
Kritiker bemängeln an der Novelle zur Straßenverkehrsordnung besonders, dass sie sich nicht zur Förderung der Tempo-30-Zonen äußert. Dabei sind europäische Städte wie Oslo und Helsinki die besten Beispiele dafür, dass verkehrsberuhigte Zonen einen sicheren Verkehr gewährleisten können. Dadurch sind schwächere Verkehrsteilnehmer wie Fußgänger und Fahrradfahrer im Straßenverkehr weniger gefährdet.
Viele europäische Länder machen es erfolgreich vor: Städte wie Kopenhagen, Amsterdam und Utrecht verfügen bereits über eine ausgezeichnete Fahrradinfrastruktur, die zu gleichen Teilen ökologisch und ökonomisch sinnvoll ist.
Hier zeigt sich, dass Investitionen in eine einheitliche, durchgehende Radinfrastruktur mehr Sicherheit und Vertrauen in den Straßenverkehr bringen. Viele europäische Länder stärken die Rechte der Fahrradfahrer bereits seit Jahren und tragen so zu einer nachhaltigen Verkehrswende bei.
Einige Punkte sind also weiterhin ausbaufähig – und es bleibt zu hoffen, dass sich in Zukunft noch ein paar Dinge ändern und wir weiterhin auf einen sicheren und nachhaltigen Verkehr zusteuern, der für alle Verkehrsteilnehmer fair ist.